Traumapädagogische Arbeitsweise
Bei der traumapädagogischen Arbeitsweise können die Kinder auf konstante Beziehungen zählen und sie werden in ihren individuellen Bedürfnissen unterstützt. Bei uns arbeitet mindestens eine Person, welche eine Traumapädagogische Ausbildung hat.

Der Sichere Ort
Die Traumapädagogik schafft eine Umgebung, in welcher Kinder und Jugendliche mit belastenden Erlebnissen möglichst viele neue, korrigierende Erfahrungen machen können. Diese Umgebung zeichnet sich durch schützende, stärkende, sowie versorgende und fördernde Rahmenbedingungen und Menschen aus und wird so als «Sicherer Ort» gestaltet.
Dabei geht es um die innere Sicherheit - Selbstbemächtigung, Traumaverarbeitung, emotionale Stabilisierung und um die äussere Sicherheit - heilsame Umgebung, Stabilität der Betreuungspersonen, welche verlässliche und tragfähige Beziehungen bieten. Dies soll den Kindern und Jugendlichen helfen, sich zu verstehen, sich wirksam zu erleben und so ihr Leben zu gestalten.
Der «Sichere Ort» setzt den Fokus auf die Kinder und Jugendlichen, die Betreuungspersonen, sowie die Institution und deren Rahmenbedingungen. Es geht dabei nicht um Funktionalität, sondern Stressreduzierung und emotionale Versorgung stehen im Vordergrund. Die Traumapädagogik wird aus folgenden Grundhaltungen heraus gelebt:
Der Gute Grund, Wertschätzung, Transparenz, Expert:innenschaft, Partizipation und Freude.

Der Gute Grund
«Ich ticke so weil ...»
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass das Verhalten von Menschen normalerweise nicht destruktiv motiviert ist, sondern aus dem inneren System des Menschen heraus Sinn ergibt und für die Person selbst einen wichtigen «Guten Grund» hat. Das Prinzip des «Guten Grundes» setzt das Verständnis voraus, dass sich eine Person mit einer belastenden Erfahrung Verhaltensstrategien angeeignet hat, um das eigene Überleben zu sichern. Das Verständnis für das Gegenüber wirkt entspannend und deeskalierend. So wird es möglich, sich zu begegnen und ins Gespräch zu kommen. Das Wort «,weil…» lädt ein, zum Antworten und über sich nachzudenken und transportiert eine wertschätzende Haltung. Andere Blickwinkel werden aufgetan. Das «Ich ticke so, weil…» hilft, sich selbst und sein eigenes Verhalten zu verstehen.
Es ist möglich mit dem Ausdruck des «Guten Grundes» und seinen Folgen nicht einverstanden zu sein, ohne diesen in Frage zu stellen.

Wertschätzung
«ich bin gut, so wie ich bin.»
«Wertschätzung» heisst: Angenommen sein, so wie man ist, gut und geliebt zu sein, wie man ist. Eine Lebensberechtigung zu haben, ohne Leistung zu erbringen. Wie genial ist es, durch wohlwollende Worte und einen ehrlichen Blick, zugewandt zu sein? So werden die Grundbedürfnisse nach «gesehen werden», «dazu gehören» und «Sicherheit» erfüllt und es entwickelt sich Selbstwert und Selbstvertrauen.
Eine Gratulation, ein HighFive, ein «Ich-habe-dich gesehen-Augenzwinkern», Respekt, Freundlichkeit, ... gratis, ohne grossen Aufwand, mit grosser Wirkung. Nicht alle brauchen dieselbe Wertschätzung. Jeder Mensch ist einzigartig und schöpft aus anderen Erfahrungen. Dies gilt für die Kinder und Jugendlichen – und genauso für die Erwachsenen.

Transparenz
«Erklär mir mal ehrlich ...»
«Transparenz» ist Durchsicht, Klarsicht. Menschen, welche belastende Erfahrungen haben, bewegen sich im Nebel. Die erlebte Unberechenbarkeit und Undurchsichtigkeit hinterlassen eine Orientierungslosigkeit. Je schwerer es einem Menschen fällt, anderen Menschen zu vertrauen, desto wichtiger ist die Transparenz als korrigierende Erfahrung. Das Recht auf die Erklärung: Wo? Wann? Was? Wie? Wozu? Warum? passiert, ist grundlegend. Und manchmal auch ein ehrliches «Ich weiss es nicht». Es kommt oft anders, als man denkt – und trotzdem: Geschehnisse, Handlungen, Entscheidungen, Abläufe/Alltag, Krisen, Notfallpläne, Bestimmungen und Entscheidungsräume und Möglichkeiten sollen auf Leitungs-, Team- und Kinder- und Jugendlichenebene transparent sein. Transparenz bringt Einschätzbarkeit. Bescheidwissen gibt den Überblick, die Anforderungen sind geklärt, das Verstehen der Notwendigkeit gibt einen Sinn und Vorbesprechen macht Mut, die Situation anzugehen.

Partizipation
«Partizipation» bedeutet: Beteiligung, Teilhabe, Teilnahme, Mitwirkung, Mitbestimmung, Miteinbezug, …Hat denn das «Miteinander-Alter» je ein Ende? Nein, denn das Zusammenarbeiten und -leben mit Menschen ist stets ein Einbinden in allen Ereignissen und Entscheidungsprozessen. Und Ja, durch zunehmende Erfolgserlebnisse wächst die Überzeugung: «ich kann etwas» und «ich kann es auch alleine!» Die Partizipation an den eigenen Lebensbedingungen zählt zu den wichtigsten Einflussfaktoren, die zur seelischen Gesundheit führt. Mit dem Satz: «ich trau dir etwas zu und überfordere dich nicht!» Schritt für Schritt die Stufen der Partizipation-Treppe hoch, von Nicht-Information, zur Transparenz, zur Mitsprache, zur Mitbestimmung zur Selbstbestimmung. Dies in abgestimmtem Tempo und angepasster Grösse des Verantwortungspakets.

Spass und Freude
«Yeah, hier gibt es was zu lachen!»
«Spass und Freude » und Trauma? Das beisst sich doch, oder nicht? Was hat es auf sich, dass zwischen Angst, Ekel, Wut, Ohnmacht, Misstrauen und Hilflosigkeit, Freude zu finden ist? Die beste Nachricht bereits jetzt: Viel Freude trägt viel Leid. Und viel Leid braucht viel Freude, damit das Leid tragbar bleibt. Je belastender die Situation, desto mehr positive Körper- und Sinneserfahrungen sind notwendig.
Viel von dem machen, was man gut kann und gerne macht!
Singen, tanzen, baden, schaukeln, backen, basteln, musizieren, malen, springen, kochen, hüpfen, staunen füllen den Freuden-Tank. So muss in all den schweren Geschichten der Kopf nicht in den Sand gesteckt werden. Gemeinsam gelebte freudvolle Aktivitäten, erlebnispädagogische Angebote sind Resilienzfaktoren, welche einfach immer wieder aktiviert werden können. Diese erlauben korrigierende Beziehungserfahrungen.
Gemeinsam lachen und den Humor-Muskel im Hirn trainieren… bis ins hohe Alter!

Expert:innenschaft
«Frag doch mich, ich kenne mich aus.»
Menschen mit belastenden Erfahrungen sind Expert;innen im Überleben, im Erleben von hochstressigen Situationen. Sie wissen, was eine ehrliche Beziehung ist und sind kreativ. Egal wie alt Kinder und Jugendliche sind, egal welche Einschränkungen sie aufweisen.
Die Fragen «Was denkst du dazu?», «Was könnte dir helfen?», «Was kannst du jetzt tun? Was nicht?» helfen dabei, ihr Erleben und Wissen zu erfahren. Gleichzeitig stellen die Betreuungspersonen ihr Wissen zur Verfügung. So wird ein Austausch möglich über gemeinsames Expert:innenwissen. Dabei bleiben die Pädagog:innen neugierige Fragende, ohne vorgefertigte Lösungsansätze und «meinen zu wissen», was für die anderen das Richtige ist. Lernend bleiben, bis ans Ende des Lebens.